Betrachtungen
eines Hinterbänklers
Die
hier ausgewählten Satiren erschienen 1990/91 in "Die andere Zeitung".
Sie beziehen sich deutlich auf jene Zeit, können aber möglicherweise
dank ihrer respektlosen Rotzigkeit heute noch unterhalten. Alle Beiträge
begannen mit der Standardeinleitung: "Ich weiß nicht, weshalb meine
Partei mich nicht ans Rednerpult läßt. Dabei hätte ich soviel zu sagen.
Zum Beispiel zum leidigen Thema ..."
Helft den Tätern!
Der Rechtsstaat schützt die Täter, nicht die Opfer. Jawohl!
Ich sehe keinen Grund, das zu verschweigen, denn es hat die Logik auf
seiner Seite. Definieren wir zunächst die Begriffe. Wer ist mit
"Opfer" gemeint? Doch nicht etwa all jene, die hinter der
Mauer eingesperrt waren? Dann bestünde das ganze Volk aus Opfern,
einschließlich der Stasi-Leute, Polizisten, Offiziere, Grenzwächter,
die bekanntlich ebenfalls nicht das Land verlassen durften. Gemeint
sind auch nicht jene, die bespitzelt wurden, denn bekanntlich observierten
sich die Machthaber und ihre Geheimdienstler auch gegenseitig. Der Begriff
"Opfer" wird also verwendet, um diejenigen zu bezeichnen,
die ihrer versteckt oder offen geäußerten Gegnerschaft zum
herrschenden System wegen direkt verfolgt wurden. In einem totalitären
System aufzubegehren erfordert eine ungewöhnliche Kraft. Konstatieren
wir, daß mit dem irreführend auf Schwäche deutenden
Wort die stärksten Mitglieder der Gesellschaft bezeichnet werden.
Hier gilt es nun zunächst, zwei Kategorien zu unterscheiden: Zum
einen jene, die im Verlaufe der Verfolgung physisch oder psychisch vernichtet
wurden. Denen ist nicht mehr zu helfen; unser Engagement hat den Lebenden
zu gelten. Die andere Kategorie hat alles überstanden, ist also
ungebrochen stark. Wäre es gerecht, gerade die Starken zu unterstützen?
Nun zu den sogenannten Tätern. Auch hier muß wiederum klar
differenziert werden. Selbst wenn wir berücksichtigen, daß
die 99,9?%?Wahlergebnisse gefälscht waren, so wissen wir doch,
daß eine deutliche Mehrheit dem Regime seine Stimme gab und es
dadurch legitimierte. Wird das Volk damit zu einem Volk von Tätern?
Genausowenig, wie es sich um ein Volk von Opfern handelt. Und der kleine
Stasimann, der für einen lächerlichen Lohn die Schmutzarbeit
erledigte, die er auf Grund seiner schulischen Indoktrinierung für
notwendig hielt? Gar der wehrpflichtige Grenzsoldat, der sich nicht
aussuchte, eingezogen zu werden? Sind sie Täter? Eine absurde Vorstellung.
Gemeint sind also diejenigen, die innerhalb eines Unrechtsregimes Karriere
machten, was nur dadurch möglich war, daß sie nach oben buckelten
und nach unten traten, sich der Macht gegenüber stets loyal verhielten.
Wer aber verhält sich so? Nur schwache Charaktere, das ist eindeutig.
Und was geschieht, wenn diese schwachen Charaktere jeder Unterstützung
beraubt werden? Zum einen versacken sie in Asozialität, gehen zu
Grunde. Wer ist so rachsüchtig, ihren Tod zu fordern? Zum anderen
könnten sie aus Verzweiflung zerstörerisch reagieren. Ist
es für ein Staatswesen nicht klüger, auf ihre bewährte
Loyalität zu bauen, anstatt sie sich zu Gegnern zu machen?
Wenn die Opfer nun behaupten, sie seien damals in der Opposition gewesen
und heute wieder, so sollten sie, anstatt dies zu beklagen, sich dazu
beglückwünschen: Macht korrumpiert. Wollten sie etwa zu Tätern
werden? Daß die Opposition von der Regierung bekämpft werden
muß, versteht sich von selbst. Schließlich ist es Aufgabe
der Opposition, die Regierung zu bekämpfen. Gleiches Recht für
alle! Es war - auch - dem Wirken der Opposition zuzuschreiben, daß
jetzt statt der Mittel des Unrechtsstaates die Mittel des Rechtsstaates
auf sie angewendet werden. Auf diesen Fortschritt können wir stolz
sein!
Nieder mit der
Opposition!
Daß der Sozialismus
aus ökonomischen Gründen seinen Bankrott erklärte, ist
unbestritten. Weshalb aber machte er, abgesehen von der insonderheit
durch Vollbeschäftigung erzeugten allgemeinen Uneffektivität,
so gründlich Pleite? Daran ist einzig die Opposition schuld.
Jedes Staatsgebilde ist um des Überlebens willen dazu verpflichtet,
seine Gegner zu beobachten, deren Pläne zu erforschen und zu vereiteln.
Unzufrieden ist stets eine Minderheit, welche der Mehrheit ihre vermeintlich
bessere Einsicht aufzuzwingen bereit ist. Offizielle und inoffizielle
Mitarbeiter der Geheimpolizei stießen zu den Unzufriedenen, vergrößerten
deren zunächst unbedeutende Anzahl. Die Gruppen gewannen schon
ihrer Mitgliederzahl wegen an Ausstrahlung, erhielten Zulauf, der wiederum
durch verstärkt eingesetzte Geheimdienstler kompensiert werden
mußte.
Schließlich war der Sicherheitsapparat nicht mehr in der Lage,
mit seinem Stammpersonal die Aufgaben zu lösen. Er mußte
erweitert werden, eine ständig wachsende Zahl von Spitzeln besolden,
und dem war die uneffektive Wirtschaft auf Dauer nicht gewachsen. Da
es den Menschen durch jahrzehntelange Versprechungen nicht besser ging,
wuchs die Zahl der Unzufriedenen, was eine erneute Vergrößerung
des Sicherheitsapparates zur Folge hatte. So paralysierten die Oppositionellen
das Staatswesen.
Die Mehrheit der Bürger war an einer Wende nicht interessiert.
Sie hatten ihr Auskommen, ihre gesicherte Existenz. Die Oppositionellen
und der ihretwegen aufgeblähte Sicherheitsapparat, anders gesagt:
Opposition und Staatssicherheit gemeinsam erzwangen den Sturz des Regimes.
Selbstverständlich lehnte die Mehrheit es ab, von sattsam bekannten
notorischen Unruhestiftern regiert zu werden. Sie wählten statt
eines neuen Experiments das bewährte System des Nachbarn.
Wer ist mit der parlamentarischen Demokratie unzufrieden? Wer hat keine
oder zu wenig Posten abbekommen und stiftet daher neue Unruhe? Wer läßt
den Kräften des Marktes keine Zeit, ihre Wirksamkeit zu entfalten,
wer behauptet wider besseres Wissen, es könne sofort etwas gegen
Arbeitslosigkeit und Sozialabbau unternommen werden? Wer macht sich
über den Rechtsstaat lustig, in dem nicht die schuldigen Stalinisten
verfolgt werden, sondern deren Gegner? Wer ist denn schuld am totalen
Zusammenbruch, wer also wird durchaus zu Recht mit den Mitteln des Rechtsstaats
geduckt? Denn auch wenn unser freiheitlich-soziales, marktwirtschaftliches
System dem verrotteten Staatssozialismus weit überlegen ist, kann
es sich doch eine Vergeudung von Steuergeldern, wie sie die unbegrenzte
Aufblähung des Sicherheitsapparates bedeutet, auf Dauer nicht leisten.
Genau diejenigen, die permanent Unruhe stiften, verlangen eben dadurch
eine Aufstockung der Geheimdienste, welche nur durch Fachleute, also
Mitarbeiter der alten Geheimpolizei erfolgen kann. Kritiker unseres
freiheitlichen Systems fordern indirekt die Weiterbeschäftigung
der Stasispitzel, und dies zum einzigen Zweck, auch uns zugrundezurichten.
Wir werden nicht zulassen, daß die Opposition die beste aller
Demokratien zerstört!
Eingeborene raus!
Menschlich betrachtet,
sollte der Herr Honecker ruhig in Moskau bleiben. Alle Macht hat er
verloren, mußte in seinem Alter in die Verbannung. Ist eine härtere
Strafe denkbar, als in der Sowjetunion leben zu müssen? Außerdem,
sein wir ehrlich, kann er gar nicht der Alleinschuldige sein. Er hat
sich ja nicht selbst gewählt. Er war ein unglaublich schlechter
Redner und verkündete die Existenz von Luftschlössern, während
im Alltag nichts stimmte. Wenn Millionen einem durchschaubaren Lügner
wie ihm ihre Stimme gaben, dann sind sie offenbar nicht zurechnungsfähig,
zumindest von fremdartiger Gesinnung, in ihrer Motivation unverständlich
für uns Kulturmenschen.
Nun waren die früheren Wahlen manipuliert, doch nur beim letzten
Mal erregten sich einige darüber, davor schwiegen sie. Nach der
ersten wirklich freien Wahl jedoch sind alle unzufrieden. Milch und
Honig wollten sie fließen sehen. Sie wählten ihre Wünsche
statt der Wirklichkeit, und verantwortlich für die Misere machen
sie die Politiker, nicht ihre eigene Maßlosigkeit.
Von Spielregeln und Denkweisen der Demokratie wissen sie gar nichts.
Wenn ein Vermieter sie exmittieren will, schimpfen sie auf die Regierung.
Wenn ein Betrieb Konkurs macht, schimpfen sie auf die Regierung. Wenn
die Post ihren Service verschlechtert, dafür aber die Preise verfünffacht,
schimpfen sie auf die Regierung. Wenn die Lebenshaltungskosten sich
vervierfachen, jedoch die Einnahmen bei denen, die noch Arbeit haben,
gerade auf das Anderthalbfache wuchsen, von den Arbeitslosen ganz zu
schweigen, machen sie die Regierung verantwortlich, nicht, wie unsereiner,
das individuelle Schicksal oder die eigene Unfähigkeit zur Existenz.
Wiederum eine fremdartige Auffassung, die unserer zivilisierten Weltbetrachtung
widerspricht.
Der selige Detlev Rohwedder brachte es im letzten Interview vor seinem
Hinscheiden auf den Punkt. Als er, so sagte er, die Treuhand übernahm,
fand er "lediglich drei Leute und 120 Ossis" vor. Und die
Ossis hatten "von Tuten und Blasen keine Ahnung". Sein Versuch,
den Eingeborenen Kultur zu bringen, endete, wie der vieler Afrikaforscher,
tragisch.
Der Ruf "Wir sind ein Volk" ging um die Welt. Inzwischen wissen
wir, daß dies reine Zweckpropaganda war. Ossis und Wessis verbindet
nichts miteinander als Blutsverwandtschaft und Sprachähnlichkeit.
Ein Volk sind wir natürlich nicht. Hätten Wessis den Stasiterror
geduldet? Hätten Wessis so viele Jahre mit so wenig Geld leben
wollen? Hätten Wessis die Einschränkung ihrer Reisefreiheit
geduldet?
Wenn wir bereit sind, das Zoni-Völkchen unter uns aufzunehmen,
so nur unter Bedingungen. Wer bereit und in der Lage ist, sich dem höheren
System einzufügen, wer durch erhöhten Konsum die Wirtschaft
ankurbelt, mag bleiben. Wer jedoch die Rechte der Eigentümer beschränken
will, wer eigene Rechte einfordert (als hätte jemals ein Verlierer
überhaupt Rechte besessen!), wer den Segnungen der Marktwirtschaft
nicht blind zu vertrauen bereit ist, der sollte zwecks Selbstbestrafung
seinem einstigen Staatschef in die Verbannung folgen. Das würde
das Eingeborenenproblem lösen, denn dort wird die lachhafte Utopie
der Gleichheit in einem Blutbad enden - und wir hier haben endlich freie
Bahn für die Tüchtigen!
Zerstört
die 3. Welt!
Wir Politiker haben
es schwer, es der Friedensbewegung recht zu machen. Erst fordert sie,
daß der Westen am Golf nicht eingreift, dann, daß er schnell
wieder aufhört, und schließlich sollten wir auf einmal etwas
für die Kurden tun. Das ermangelt jeder Logik und Konsequenz. Anderes
freilich erwartet niemand von den Chaoten.
"Kein Blut für Öl!" propagierten die Kleingeister,
als hätten wir einen Benzinkrieg geführt. Sie hätten
sich informieren sollen, ehe sie Losungen schmieren. Freilich haben
wir uns auch um die Kontrolle über das Öl bemüht, und
- entgegen ihren diffamierenden Behauptungen - natürlich ging es
uns um die Ächtung der Völkerrechtsverletzung, die Irak mit
der Annektion Kuweits beging, indes das alles geht meilenweit an den
tieferen Gründen dieses Krieges vorbei.
Nicht mehr und nicht weniger als das Überleben unserer Zivilisation
stand auf dem Spiel. Die Bevölkerung in Westeuropa und Nordamerika
wächst kaum oder gar nicht. Hingegen vermehren sich die Asiaten,
Afrikaner und Lateinamerikaner in besorgniserregendem Tempo. Ihre Länder
sind kaum in der Lage, die bereits jetzt dort wohnenden Menschen zu
ernähren, geschweige denn die in zwanzig Jahren zu erwartende verdoppelte
Bevölkerungszahl. Was wird geschehen, wenn diese Menschenmassen
hungern, im Elend leben? Sie werden auswandern in Nachbarländer,
die dortigen Lebensverhältnisse weiter verschlechtern und eine
Lawine von Auswanderern, eine neue, alles verheerende Völkerwanderung
lostreten, die auch unseren Wohlstand, unsere Art zu leben, unsere kulturelle
Identität unter sich begraben wird. Um dies vorauszusehen, bedarf
es keiner prophetischen Gabe.
Sicher ist, daß die Dritte-Welt-Länder nicht werden überleben
können. Sicher ist, daß auch wir nicht überleben können,
wenn Millionen und Milliarden zu uns herüberströmen. Opfer
sind unvermeidlich. Uns allein könnten wir retten, sie auf keinen
Fall.
Einige dieser Länder rüsten hoch, um sich den Zugang zu uns
notfalls erkämpfen zu können. Es war an der Zeit, ihnen zu
zeigen, wer letztlich die überlegene Technik beherrscht. Wir haben
ihnen und ihren potentiellen Nachahmern schlagend demonstriert, daß
sie auch mit modernen Raketen nichts anderes denn Steinzeit-Völkchen
sind.
Im übrigen wußten wir, auch wenn wir das aus begreiflichen
Gründen nicht ständig hinausposaunen, selbstverständlich
vorher, welche Umweltzerstörungen ein Krieg am Golf anrichtet.
Saddam Hussein hatte angekündigt, er werde der Welt das Licht ausknipsen,
und ein paar Förderanlagen und etliche Tanker und Raffinerien haben
unsere Jungs dort unten in Brand geschossen. An den Spätfolgen
- Kälte, vergiftete Erde, Krebs, Seuchen - werden in Vorderasien
mehr Menschen sterben als am Bombardement.
Selbstverständlich ist es tragisch, wenn Menschen sterben. Niemand
will das, schon gar nicht der dem christlichen Humanismus verpflichtete
Westen. Aber hatten wir eine Alternative? Das Exempel mußte statuiert
werden, um Nachahmer abzuschrecken. Menschen mußten sterben, um
Menschenleben zu schützen. Sie oder wir. Wer ist so unverfroren,
sich sehenden Auges gegen den Untergang der eigenen Art zu entscheiden?
Alle Macht den
Bankrotteuren!
Die Ossis sind
nie zufriedenzustellen. Schicken wir ihnen unsere Fachleute, fühlen
sie sich kolonialisiert. Lassen wir ihnen die eigenen, schimpfen sie
auf die alten Seilschaften. Dabei ist es leicht einzusehen, daß
auf dem Gebiet der Wirtschaft ihre eigenen ehemaligen Ministerstellvertreter
und Kombinatschefs und anderen Experten genau die rechten Leute am rechten
Platz sind, wenn wir bedenken, worum es geht.
Der sogenannte Sozialismus versuchte, mit einer absolut uneffektiven
Wirtschaft auszukommen. Er leistete sich Vollbeschäftigung, niedrige
Sozialversicherung, eingefrorene Mieten und Preise für Grundnahrungsmittel,
und bezahlte das mit veralteter Technik, minderwertigen Produkten und
einer Wirtschaftsstruktur aus dem vergangenen Jahrhundert. Kein Wunder,
daß wir das zugrundegerichtete Land nunmehr unter hohem Aufwand
durch die Segnungen der Marktwirtschaft retten müssen. Je schneller
der Markt triumphiert, desto besser.
Nun war die DDR allerdings das Land, in dem die Planwirtschaft, weltweit
verglichen, noch am besten funktionierte; bekanntlich gehörte Ostdeutschland
laut eigener Aussage zu den zehn führenden Industriestaaten (und
selbst wenn man es nicht glaubt: zu den ersten zwanzig allemal!). Von
dieser einstigen Kraft sind selbst im Zusammenbruch noch Reste zu spüren.
Wie aber soll die Marktwirtschaft als Triumph erlebt werden, wenn Teile
des alten Systems noch funktionieren?
Die Wirtschaftslenker haben den Industriestaat DDR so sehr in den Ruin
getrieben, daß ein paar Demonstrationen ausreichten, ihn endgültig
zusammenkrachen zu lassen. Worum es jetzt geht, ist, ihn noch weiter
zu ruinieren, um den Weg für die bessere Gesellschaft zu ebnen.
Aus dem Weg, ihr Krüppel des Stalinismus! Freie Bahn dem Starken!
Wir zeigen euch, wie man leben und Geschäfte machen muß!
Fegt sie weg, die unfähigen Ossis und ihre verkeimten Betriebe!
Auf wen konnten wir uns stützen, um diese wichtigen Aufgaben angemessen
zu erfüllen? Natürlich gibt es auch im Westen unfähige
Manager - ein paar davon haben wir der Treuhand und den Länderministerialbürokratien
zur Verfügung gestellt. Aber so viele so unfähige Manager,
als die sich die einstigen Wirtschaftsspitzenfunktionäre der ehemaligen
DDR erwiesen haben, findet man nicht so leicht wieder. Lassen wir sie
ihren Job, die DDR zu liquidieren, in Ruhe vollenden! Sie beherrschen
ihn perfekt, das weiß inzwischen die ganze Welt. Es ist nur folgerichtig,
wenn unser Herr Bundeskanzler sagt, daß auf die Fachkompetenz
dieser Leute absolut nicht verzichtet werden kann. Er weiß, wovon
er redet. Wie immer.
Wir brauchen die
Skins!
Wie man das von
einem Demokraten erwarten kann, bin ich natürlich gegen Gewalt
und Terror, selbst wenn sie sich bloß gegen Ausländer richten.
Und ich weiß auch nicht, warum gerade Hitlers Geburtstag gefeiert
werden sollte, wo wir Deutschen so viele andere große Männer
in unserer Geschichte hatten - denken wir an Otto von Bismarck, den
Schöpfer der deutschen Einheit, oder an Dr. Konrad Adenauer, den
Architekten der Bundesrepublik. Ja, der Herr Hitler hat die Autobahn
gebaut, das bestreitet niemand. Aber er hat auch den Krieg verloren,
das wollen wir nicht vergessen, und Deutschland wurde danach zerstückelt.
Nein, es gibt keinen Grund, sich für den Rechtsradikalisus auszusprechen
außer dem einen: Er gehört zur Demokratie. Rechts von uns
benötigen wir eine Folie, von der wir uns abheben. Denn wir treten
für ähnliche, partiell für die gleichen Werte ein wie
Reps, Faschos, Skinheads, Neonazis. Wir sind für Recht und Gesetz,
für Ordnung, Sicherheit und Sauberkeit, wir sind gegen Scheinasylanten
und Ausländerüberflutung, und wir kümmern uns im Rahmen
rechtsstaatlicher Möglichkeiten um die verlorenen Gebiete, in erster
Linie natürlich um die deutschen Menschen, die dort noch immer
unter slawischer Knute leben und leiden.
Die vereinzelten Propagandisten einer multikulturellen Gesellschaft
in unseren Reihen nehmen wir wohl nicht ernst genug. Man könnte
uns für eine nationalistische, wertkonservative Partei halten,
was wir im positiven Sinne auch sind.
Für die Abgrenzung zum Negativen hin brauchen wir die Rechtsradikalen,
je militanter, desto besser. Selbstverständlich ist es traurig,
daß sie in Dresden einen Neger totgeschlagen haben; wir bedauern
das, sowie wir auch bedauern, daß er aller menschlichen Voraussicht
nach nicht das letzte Opfer bleiben wird. Aber vielleicht ist das auch
ein Signal für die Millionen von potentiellen Wirtschaftsflüchtlingen
in aller Welt, die vor ihren verlausten Zelten in den Startlöchern
hocken, um unser noch immer geschrumpftes Ländchen zu überrennen,
uns mit ihren fremden Religionen und Tänzen zu belästigen,
unsere Geschäftsstraßen in orientalische Basare zu verwandeln
und uns ihre hierzulande längst ausgestorbenen Seuchen als einziges
Gastgeschenk mitzubringen: Bleibt lieber zu Hause!
Damit wären drei wesentliche Funktionen auf einmal erfüllt:
Zum einen werden die Ausländer abgeschreckt, zum anderen werden
die gefährlichen Linksradikalen, die unser System nicht anerkennen
wollen, von uns abgelenkt und auf die Skinheads fixiert, und zum dritten
können wir uns als hochkarätige Demokraten präsentieren,
indem wir die Ausschreitungen moralisch verurteilen.
Die Wähler sehen, wer der gemäßigte und wer der radikale
Konservative ist, und da sie Terror daheim nicht so mögen, weil
sie bei einer Straßenbahnschlägerei selbst verletzt werden
könnten, werden sie sich für uns entscheiden, die wir ihre
Auffassungen mit mehr Würde und Anstand vertreten. So traurig es
für das einzelne Opfer sein mag: Unsere Demokratie braucht den
Radikalismus, damit wir behaupten können, wir wären eine Volkspartei
der Mitte. Wir können nur hoffen, daß niemand, den es nichts
angeht, dahinterkommt, was der Begriff Rechts-Staat bedeutet.
Nieder mit der
Kultur!
Falls rhethorische Fragen ernsthafter Antworten wert sind, so stellen
wir sie unverzagt: Gab es in der sogenannten DDR überhaupt eine
Kultur? Natürlich nicht, ergo kann sie auch nicht vernichtet werden.
Halten Sie das für eine Übertreibung? Dann sehen Sie sich
doch mal die Literatur an!
Zum einen gab es die allgegenwärtige Zensur. Wollten die Autoren
sie umgehen, mußten sie verschlüsselt schreiben, Symbole
erfinden oder ähnliche Tricks nutzen. Wen interessiert heute der
Schnee von gestern? Wollen Sie wirklich erraten, ob mit dem bösen
Fürsten nun Hornsäcker oder Ullbrecht gemeint war? Will sich
im Ernst ein Mensch von Verstand an die erinnern?
Andere Autoren paßten sich an, machten Parteikarrieren, reisten
im westlichen Ausland herum und erzählten den daheim Eingemauerten,
wie schlimm es dort sei. Wollen Sie das, was diese Profiteure der Macht
auf das unschuldsweiße Papier sudelten, ernstlich für Kultur
halten?
Die meisten schließlich standen dazwischen, wagten drei bis vier
Anspielungen, indes nie gar zu deftige; sie wurstelten sich durch wie
jeder; es lohnt nicht, ihrer zu gedenken.
Die Krimi-Schmieranten befaßten sich mehr oder minder (meist minder)
spannend mit den dunklen Seiten der DDR-Wirklichkeit; heute, da man
in allen Zeitungen Kritischeres über die unrühmliche Vergangenheit
der Ossis lesen kann, wirken die feigen Krimis (wo war die Entlarvung
der Stasi-Mörder? Na?) wie pure Nostalgie, und wer will Nostalgie
zur Kultur rechnen?
In der Science-fiction wurden klassenfreie Zukunftsgesellschaften entworfen,
kritisch oder apologetisch, gleichgültig, denn wie wir inzwischen
wissen, gehört die Zukunft der differenzierten Leistungsgesellschaft,
und alle Entwürfe, die anderes besagen, sind Makulatur.
Nun gibt es Wohlmeinende, die einräumen, daß die DDR nichts
Eigenes von Bestand hervorbrachte, jedoch immerhin Klassiker druckte.
Da frage ich Sie: Warum publizierten die Stalinisten denn Goethe und
Schiller? Um sich mit ihnen zu schmücken! Um sie zur Verschleierung
ihrer menschenfeindlichen Kulturpolitik zu mißbrauchen! Und dieses
durchsichtige, platte Alibi der einstigen Machthaber wollen Sie lesen?
Wollen Sie ja gar nicht wirklich, denn dann würden die Bücher
derzeit nicht auf Mülldeponien landen. Gäbe es eine starke
Nachfrage, fänden auch die Klassiker den Weg zu den Lesern (übrigens
werden sie, von wegen Kulturvernichtung, sehr preiswert auch von Verlagen
aus den alten Bundesländern angeboten, und diese Ausgaben haben
den Vorteil, daß darin niemand über den unschönen Vermerk
"Gedruckt im VEB..." stolpern kann). Weg mit Schaden!
Und die Gemälde? Arbeiterklasse und Proletariat, beschützt
von Volksarmee und Vopos? Die unsäglichen Thälmann- und Marxbüsten?
Die DEFA-Problemfilme oder, noch schlimmer, die DEFA-Lustspiele? Die
vorgebliche Kultur ist eine Altlast, welche die Umwelt besudelt. Weg
mit den Verlagen, den Autoren, den Malern, Bildhauern, Regisseuren!
Es gibt so viele auf der Welt, da kommt es, global gesehen, auf die
paar Dutzend feilen Ost-Künstler wahrlich nicht an.
Senkt die Gehälter!
Überall auf
der Welt ist es so, daß nur ausgegeben werden kann, was erarbeitet
wurde - außer im Osten Deutschlands. Erarbeitet zwar wurde auch
das Geld, welches wir in das Faß mit dem längst durchgerosteten
Boden hineinpumpen, indes nicht von denen, die barmen, wir würden
sie vernachlässigen, übervorteilen, gar ausbeuten.
Nichts als Zweckpropaganda, ausgebrütet von in stalinistischer
Demagogie geschulten Hirnen. Die Wahrheit ist das Gegenteil der Klagen:
Ausgebeutet werden die Altbundesländer! Dieser Tage sollen Ost-Beamte
60 Prozent dessen ausgezahlt bekommen, was ihren westlichen Kollegen
zusteht. Wem wird soviel Geld gezahlt? Den Bonzenknechten von anno dazumal,
die für das SED-Regime arbeiteten und es damit stärkten, stützten,
aufrecht hielten. Wer für den Unrechtsstaat tätig war, darf
dafür nicht auch noch belohnt werden.
Selbstverständlich gibt es auch Neu-Beamte, die vorher nicht für
das Regime aktiv waren, wenige zwar, doch existieren sie dem Vernehmen
nach. Hochachtung vor ihnen, selbst dann, wenn sie nur aus Zufall nicht
schuldig wurden. Verneigen wir uns vor den Helden! Daß sie, wenn
sie die Verwaltungsarbeit nicht gelernt und auch nie ausgeübt haben,
keine Ahnung davon haben, werden sie selbst nicht bestreiten. Da sie
sich einst für Gerechtigkeit und gegen Privilegien stark machten,
verstehen sie sicher als erste, daß es unangebracht ist, Inkompetenz
zu belohnen.
Für beide Sorten Mensch sind die angestrebten 60 Prozent zuviel,
und wir werden mit Steuerklassen-Tricks, von denen derzeit kein Ossi
etwas ahnt, die Gehälter drücken. Sie wären mit 40 Prozent
noch überbezahlt, die Jasager und die Inkompetenten!
Um die notwendige Differenz herzustellen, sehen wir uns genötigt,
den im Rechtsstaat großgewordenen und erfahrenen Beamten Notprämien
auszuzahlen: Ihre in langen Jahren harter und zäher Büroarbeit
erkämpften Gehälter laufen weiter. Zusätzlich steht ihnen,
die sich in die Ungewißheit eines Entwicklungslandes mit Außentoiletten
und Braunkohlenheizung begeben, ein Abenteuer- und Gefahrenzuschlag
zu, der mindestens so hoch ist wie das, was die Ost-Kollegen verdienen,
so daß der Ossi im Verhältnis zu den 160 % Grundgehalt doch
nur 37,5 % verdient (etwa das, was er wert ist). Das freilich kostet
den Steuerzahler Millionen und Abermillionen!
Auf den Zuschlag wird der Entbehrungen wegen nicht zu verzichten sein.
Hingegen könnten die Ostdeutschen durchaus noch ein paar Jahre
bei ihren gewohnt niedrigen Löhnen bleiben. Früher mußten
sie Westgeld 1:5 bis 1:10 ertauschen. Jetzt verdienen sie es offiziell
im Maßstab 1:3. Selbst krasser Lohnverzicht überbietet noch
die kühnsten Träume des Revolutionsjahres!
Übrigens ist das, was wir derzeit in den neuen Bundesländern
praktizieren, glänzend dazu geeignet, liberalen Kritikern das Wasser
abzugraben, die behaupten, bei uns stehe die Wirtschaft im Mittelpunkt,
nicht der Mensch. Eine ökonomistische Betrachtungsweise würde
davon ausgehen, daß bei niedriger Arbeitsproduktivität die
Löhne und Gehälter einheitlich niedrig sein müssen. Wir
jedoch differenzieren nach dem Verdienst der Geburt, dem Wohnort- und
Tatortprinzip, treffen somit eine politische Entscheidung, die den Denkenden
beeindruckt in ihrer reinen, antikapitalistischen Menschlichkeit.
Die Frauen ins
Haus!
Selbstverständlich
muß streng bestraft werden, wer abtreibt. Wenn wir dies fordern,
so sind wir dabei absolut nicht im Mittelalter stehengeblieben, ganz
im Gegenteil. Natürlich benutzen wir Argumente, wie sie unsere
Klientel von uns erwartet, und insbesondere aus dem Munde des Papstes
mögen sie in der Tat etwas antiquiert klingen. Das scheint nur
so. Ich bewundere den Mann - wir könnten uns keinen Besseren wünschen
auf dem Stuhl Petri. Herrlich, mit welch abgeklärter Unverschämtheit
er gegen Abtreibung und Empfängnisverhütung zu Felde zieht,
obwohl natürlich auch er weiß, daß er damit Hunger,
Tod, Umweltvernichtung, Flüchtlingselend befördert. Er nimmt
das kleinere Übel in Kauf, weil er begriffen hat, worum es heute
geht: Die Frauen aus dem öffentlichen Leben zu entfernen und nebenbei
in Asien, Afrika und Lateinamerika viele kleine Katholiken zu produzieren,
zu schwach, zu kretiniert durch den Hunger, als daß sie uns überfallen
könnten, indes stark genug, zu beten und zu spenden - der gigantischste
Dom der Neuzeit steht konsequenterweise in einem Hungergebiet. Heilig,
heilig.
Wenn wir dem Schutz des ungeborenen Lebens Priorität einräumen,
obwohl wir mit dem geborenen Leben gar nichts anzufangen wissen, so
handelt es sich dabei um eine wohlüberlegte Investition. Es gibt
in der freien Marktwirtschaft, die weltweit ihre Überlegenheit
und Beständigkeit nachhaltig erwiesen hat, nun einmal nicht genug
Arbeit für alle. Wir sind also gezwungen, Kriterien zu finden,
nach denen ausgesondert wird. Sollten wir vielleicht alle unter 25 am
Arbeiten hindern? Das erzeugt Frustrationen, Gewalt, Zerstörung.
Und wenn wir die Zäsur oberhalb von 50 ansetzen? Dann geraten die
arbeitsgewohnten Alten in psychische und materielle Not. Also sondern
wir die Frauen aus. Das schafft den positivsten Effekt für alle
beteiligten Seiten. Die Männer leisten mehr bei der Arbeit, weil
sie die Familie allein durchzubringen haben, also nimmt die Wirtschaft
einen Aufschwung. Die Kinder, durch die Mütter rund um die Uhr
betreut, werden nicht zu Rowdies. Und die Frauen? Sie halten das Haus
in Schuß, der Mann kommt in ein gepflegtes Heim. Sie haben mehr
Zeit zum Kochen, das Essen schmeckt besser, es wird mehr konsumiert,
also der Markt für Agrarprodukte und damit die Landwirtschaft angekurbelt.
Außerdem unterdrücken die Weiber ihre Erotik nicht mit Arbeit,
sind - schon der Konkurrenz frustrierter Hausfrauen wegen - aufgeschlossener
unseren Wünschen gegenüber, wir müssen unser mühsam
verdientes Geld nicht zu Huren schleppen, die zwischenmenschlichen Beziehungen
verbessern sich, das Leben wird noch lebenswerter.
Uns ist bekannt, daß auch dann abgetrieben wird, wenn es verboten
ist; die Zahlen sind allgemein zugänglich. Ebenso wissen wir, daß
Frauen bei illegalen Abbrüchen gefährdeter sind als bei legalen,
daß sich die Sterbeziffern verzehnfachen, in Elends-Ländern
verhundert- und vertausendfachen. Die Begüterten finden immer einen
Arzt, der qualifiziert ausführt, was sie nur wollen, während
die armen Frauen nach Stricknadelstichen oder auf der schmierigen Matratze
eines Pfuschers verbluten. All das ist kein Geheimnis. Und wenn! Genau
darum geht es! Zum einen schaffen die unterschiedlichen Überlebenschancen
einen zusätzlichen Anreiz, reich zu werden. Zum zweiten erledigt
sich das Problem der überzähligen Farbigen auf humane Weise
im Selbstlauf. Zum dritten schließlich befördern wir die
natürliche Selektion der Starken - für eine glückliche
Zukunft, denn einzig darum geht es uns. Oder was dachten Sie?
Erhöht die
Mieten!
Es ist peinlich
dumm, daß sich gerade die Ossis über die Mieterhöhung
aufregen. Jahrzehnte lebten sie mit lachhaften Niedrigmieten und sind
jetzt endlich an der Reihe, ihren Beitrag zur Erhaltung der Wohnsubstanz
zu leisten. Zum anderen stürzen sie sich auf Automobile wie die
Geier unserer Bayerischen Alpen auf das Aas eines beim Steinschlag zerschmetterten
Murmeltieres. Ein durchschnittlicher Klein- oder Mittelklassewagen besitzt
eine Grundfläche von acht Quadratmetern, kostet 24 000 DM und wird
nach vier Jahren durch ein neues Modell ersetzt. Pro Jahr sind das 6000
Mark, hinzu kommen 15 000 Mark für die Unterhaltung (Versicherung,
Reparaturen, Benzin usw.). Macht 1750 DM im Monat, 218,75 DM je Quadratmeter.
Dem Trierer Ökonomen Marx zufolge gehört das Wohnen zu den
menschlichen Grundbedürfnissen, während in seinen Werken,
wie mir der Leipziger Raumpfleger im Abgeordnetenhaus bestätigte,
an keiner Stelle vom Auto die Rede ist. Bis die Preise für das
Grundbedürfnis Wohnen die des Luxusgegenstandes Auto erreicht haben,
dürften selbst im Westen unseres teuren Vaterlandes noch einige
Jahre vergehen. Das Gewinsel entlarvt sich folglich als demagogische
Panikmache. Wissen die Schreihälse eigentlich, wem sie nützen?
Nur der Stasi!
Bekanntlich wurde Marx inzwischen durch Heinz Erhardt glänzend
widerlegt. Was unter anderem bedeutet, Wohnen ist gar kein Grundbedürfnis.
Wohin kämen wir, wenn plötzlich alle wohnen wollten? Sehen
Sie sich in Ostberlin oder Leipzig um. Ruinen, wohin man blickt. Kein
Wunder; wer soll bei niedrigen Mieten die Instandsetzung bezahlen? Und
wer besitzt, wenn Mieten künstlich unten gehalten werden, einen
Anreiz zum Investieren? Wenn wir unsere Städte retten wollen, müssen
schleunigst die Mietobergrenzen abgeschafft werden. Bei 50 bis 100 M
je Quadratmeter beginnt das Vermieten sich wieder zu lohnen. Wer darauf
besteht, die Mieten müßten bezahlbar (lies: niedrig) bleiben,
der will weiterhin Ruinen ohne Waffen schaffen.
Selbstverständlich werden die Arbeitslosen, die Renten-, Bafög-
und Sozialhilfeempfänger die Mieten nicht mehr bezahlen können.
Sehen Sie es einfach positiv! Wenn Millionen ihre Behausungen absolut
nicht mehr bezahlen können, wird mit einem Schlag das Wohnungsproblem
gelöst.
Nein, wir denken nicht unsozial, wir vergessen die Obdachlosen nicht.
Auch für sie ist Platz in unserem Herzen. Sie erhalten ein Minimum
an Sozialhilfe, sagen wir, 500 DM im Monat. Schon mit der Hälfte
können sie in Polen und der Tschechoslowakei leben wie ich in Frankreich!
Und wo sie dort wohnen sollen, ist auch klar: Natürlich im Luxus
ihrer Autos statt in der Armut ihrer maroden Wohnungen. Wenn alle zusammenrücken,
ist es selbst im strengsten Winter auszuhalten in einem unbeheizten
Kleinwagen. Das stärkt das Gefühl der Familienzusammengehörigkeit.
Mein Aussiedlungs-Projekt hat unzweifelhaft die Logik des klaren Menschenverstandes
für sich. Erstens kommen die armen Ossis billig in der Welt herum.
Zweitens werden dringend benötigte Devisen in den Ostblock verbracht,
stärken dort Kaufkraft und Importmöglichkeiten, schaffen also
bei uns Arbeitsplätze. Und last not least bleiben wir, die wir
es uns leisten können, in unseren gepflegten Häusern, unbelästigt
von den ewig jammernden Versagern, unter uns. Endlich.
Laßt die
Häuser verfallen!
Selbstverständlich
tut es mir innerlich weh, wenn ich mitansehen muß, daß die
ostdeutschen Städte wie in übelsten SED-Zeiten vor sich hin
bröckeln. Aber das Leben bietet uns nun einmal nicht immer nur
angenehme Seiten! Zuweilen müssen wir in die sauren Äpfel
der Notwendigkeit beißen! Und es ist unbedingt notwendig, die
Häuser verfallen zu lassen, bis die Eigentümerschaft geklärt
ist, auch auf die Gefahr hin, sie von Grund auf neu errichten zu müssen.
Die Privatisierung des in schlampig-unfähiger öffentlicher
Hand befindlichen Grund- und Hausbesitzes ist dringend erforderlich,
wie der einfache Augenschein selbst demjenigen beweist, der außer
Marxismus nichts lernen durfte in der Einheits-Schule und deshalb zu
verantwortungsbewußten ökonomischen Überlegungen nicht
in der Lage ist. Vergleichen Sie die schmucken, stattlichen, weißbunten
privaten Häuser in westlichen Städten und Gemeinden mit den
grauen, narbigen Ruinen im Osten, und Sie sehen, was ich meine: Privatisierung
erhält Bausubstanz!
Freilich stören die Mieter bei der Sanierung der Gebäude,
wenn sie sich, anstatt freudig ihren Solidarbeitrag zur Ästhetisierung
der Wohnviertel zu leisten, aus kleinlicher Lebensangst jeglicher Modernisierung
widersetzen und auf die Einhaltung uralter Verträge pochen. Da
haben sie nun mit der mutigen Feststellung "Wir sind ein Volk!"
ihr Unrechtsregime weggefegt und wollen auf einmal dessen Schandverträge
achten, als wären sie ein anderes Volk? Das entbehrt des gesunden
Menschenverstandes.
Sicher ist, daß wir die unbelehrbar Ewiggestrigen hinausräumen
werden. Das praktizieren wir im Westteil schon seit Jahrzehnten und
sind - erinnern Sie sich an den Augenscheinbeweis - gut damit gefahren.
Schlimmer als der Durchschnittsmieter ist freilich die wilde Meute der
Hausbesetzer (um jedem Druckfehler vorzubeugen: ich spreche nicht von
Hausbesitzern!). Sie sind gefährlich, weil sie eine Lebensform
praktizieren, bei der Eigentum nichts gilt. Unser System beruht aber
auf dem Privateigentum. Es hat sich weltweit deshalb durchgesetzt, weil
es funktioniert, und es ist allmächtig, weil es wahr ist. Doch
selbst die segensreiche Macht der auf Vernunft und Eigentum beruhenden
demokratisch-rechtsstaatlichen Gesellschaft müßte zusammenfallen,
wenn das anarchische Beispiel der Besetzer Schule machen würde
- was das gesunde, durch unsere Massenpresse wohltätig gelenkte
Volksempfinden bisher verhindern konnte.
Dennoch: Wehret den Anfängen, wußten schon die Altvorderen
(ja, die humanistische Bildung!). Besetzer müssen beseitigt werden,
mit aller Gewalt, die erforderlich ist, angefangen beim Terror durch
Skinheads, der sich fast ohne Lenkung einstellt, bis hin zur militärischen
oder wenigstens polizeilichen Auseinandersetzung, die wir noch jedesmal
provozieren konnten, wenn wir sie brauchten. Eines muß auf jeden
Fall verhindert werden: Das Abfackeln der Grundbuchämter. Unser
Besitz beruht auf dem eindeutigen urkundlichen Beweis, nicht auf der
Annahme oder Behauptung. Dann könnte gar jemand - Lyrik statt Ökonomie
- sagen, die Häuser gehörten denen, die sie bewohnen!
Mag sein, daß infolge der Entmietungen und der Endlösung
der Besetzerfrage ein paar unbequeme, blutige Jahre auf uns zukommen.
Aber am Ende erleben einige von uns in ihren luxussanierten Häusern
das ökonomisch machbare Paradies auf Erden. Mindestens.
Heiratet empor!
Im Osten gab es
keine ernstzunehmende Psychologie. Darum drucken sie jetzt dort solche
Koryphäen wie Rolf Degen aus Bonn nach (In: Ich. Die Psychozeitung.
Nr. 2. Ost-Berlin).
Ein Werkzeug seiner Gene ist der Mensch. Gene sind von dem unbeugsamen
Willen beseelt, sich zu vervielfachen. Folglich achten wir bei der Gattenwahl
vor allem auf genetische Qualität und Zugang zu den Ressourcen.
In Liebesangelegenheiten zählen nur die erblich verankerten Eigenschaften,
die stammesgeschichtlich erfolgreich waren. Diese Mitgift macht später
die eigenen Sprößlinge für das andere Geschlecht attraktiv.
Zu den angestrebten Ressourcen gehören Wohlstand und sozialer Status
(die ihrerseits Begleiterscheinung von Genqualität sind). Merke:
Wer arm ist, besitzt schlechte Gene!
Bei einer durchschnittlichen Frau reifen während ihres gesamten
Lebens bloß 400 Eier heran; mehr als ein Kind pro Jahr (und 30
im ganzen Leben) kann sie selbst bei größtem Fleiß
nicht zur Welt bringen. Der Mann hingegen stößt bei einer
Ejakulation soviele Spermien aus, daß er die gesamte weibliche
Bevölkerung der Bundesrepublik damit befruchten könnte (nur
die Verteilung macht noch Schwierigkeiten). Daraus folgert zwingend,
daß wir Herren der Schöpfung mehr zu gewinnen haben, wenn
wir sexuell unternehmungslustig sind und fremdgehen, um auch außerhalb
der Ehe unseren genetischen Abdruck zu hinterlassen. Das schwache Geschlecht
hingegen ist besser beraten, wenn es sich ziert, bis der Richtige für
die seltenen Eier kommt. Es gereicht Weibern zum Vorteil, wenn sie attraktiv
im Wortsinne sind und dadurch viele Kandidaten um sich scharen. Noch
nicht völlig geklärt ist, woher die Frauen kommen, mit denen
sich die Abgewiesenen einlassen. Wahrscheinlich sind es Prostituierte.
Ansonsten jedenfalls geht es nur um die Fortpflanzung. Das sagt auch
der Papst.
Wissenschaftlich belegt Rolf Degen, daß Ehen stabil sind, wenn
der Mann alleiniger Versorger ist. Verdienen Frauen selbst Geld, steigt
die Scheidungsrate. Demzufolge ist es ein Gebot der Natur, Frauen schlecht
oder gar nicht zu bezahlen.
Eigenschaften wie Dominanz oder Unterwürfigkeit sind erblich. Darum
bevorzugen Weibchen dominante Männchen (wie sich unterwürfige
vermehren, ist unbekannt). Das Weibchen, das ein dominantes Männchen
einfängt, wird dessen angesammelter Ressourcen teilhaftig. In verschiedenen
Experimenten ? mit der Taufliege Drosophila, dann mit Menschen - fanden
die Weibchen sichtlich an solchen Herren Gefallen, die zuvor als sozial
hochstehend ausgewiesen worden waren. Hocheiraten - die Verehelichung
mit einem wohlhabenderen Gefährten - ist eine weibliche Eigenschaft.
Das Alter des Mannes spielt keine Rolle (je älter, desto reicher!).
Die Frau hingegen sollte aus evolutionsbiologischen Motiven sehr jung
sein. Ost-Schulmädchen besitzen eine gute Chance, von West-Pensionären
sozial angehoben zu werden. Die genetisch minderwertigen Sozialempfänger
hingegen erhalten keine Gelegenheit, sich zu vermehren. Ihre untüchtigen
Gene sterben aus. Damit scheinen sie sich längst abgefunden zu
haben - nicht grundlos ist Beate Uhse in den fünf neuen Ländern
erfolgreich.
Wir Bonner Koryphäen, so verdeutlicht mein Exkurs, bringen der
Ost-Wissenschaft (und den Frauen) neue Impulse und führen sie somit
in eine Zukunft, die sie längst für Vergangenheit gehalten
hatten.
Und als Zugabe:
Nichts gegen Fritz
Nichts gegen die
Teilnahme der Bundeswehr an der Beisetzungsfeierlichkeit für den
großen Friedrich - irgendwie gehören Särge und Soldaten
zusammen; außerdem ist es besser, wenn sie sich mit alten Leichen
beschäftigen, anstatt neue zu produzieren. Nichts gegen die schlesischen
Landsmannschaften: Leuten, die auf einer Wandzeitung dokumentieren,
in welchem Parchwitzschen Liegnitzer Keller sich Fritz vor 250 Jahren
einhauptquartierte, gebührt unsere Milde und Nachsicht. Nichts
gegen das Auftreten der Alt- und Uralt-Burschenschafter in voller Couleur:
Für einen Verein, der bei seiner Gründung vor über 160
Jahren mißliebige Bücher verbrannte und der wenig später
einen Schriftsteller (Kotzebue) ermordete, ist die Ehrerweisung am Sarge
eines Komponisten unzweifelhaft eine Kulturtat - und ihre Säbel
zogen die Herren mit den Karnevalsmützen zwar gegen autonom aussehende
Jugendliche, stachen sie jedoch trotz der Nähe ihnen freundlich
gesonnener Ordnungshüter nicht ab. Nichts gegen das Massenaufgebot
nordrheinwestfälischer Polizei; Herr Stolpe versicherte, die Feierlichkeiten
würden aus Privathand bezahlt, will also vermutlich ein zukunftsweisendes
Modell initiieren: Die Reichen zahlen ihre Polizei selber; so ist es
auch ehrlicher. Nichts gegen die rein private Teilnahme des reinen Privatmannes
Bundeskanzler an der privatfürstlichen Beisetzungszeremonie: Sie
beschert uns ein halbes Dutzend der besten Kohl-Karikaturen, die es
je gab; das allein ist schon den Aufwand wert. Und wenn den einen oder
anderen das eine oder andere dennoch stören sollte: Lastet es nicht
Friedrich dem Alten an! Schließlich ist er seit über 200
Jahren tot, und das ist mehr, als man von manch anderem Regierungschef
sagen kann.