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Günther Lindner29.2.1948 - 9.3.2021 Günther konnte Kuchen backen, da er einer Bäckerfamilie entspross. Er studierte Theologie, doch in der Studentenbühne Jena gefiel es ihm besser. Am neu gegründeten Puppentheater Neubrandenburg, wo sich die aufmüpfigsten jungen Puppenspieler der DDR zusammengetan hatten, wurde er Puppenspieleleve. 1978 legte er die Bühnenreifeprüfung an der Schauspielschule Berlin ab. Von da an war (und blieb) er Puppen- und Schauspieler. 1980 machten sich die Aufmüpfigsten der aufmüpfigen Neubrandenburger Theaterleute zusammen mit Freunden selbstständig und gründeten, den Namen nutzend, den sich Hans und Therese für ein gemeinsames Stück im Vorjahr gegeben hatten, das erste und lange Zeit einzige freie Off-Theater der DDR: Theater Zinnober. Aus vertraglichen Gründen war Günther halbherzig ein Jahr länger in Neubrandenburg angestellt als die anderen und doch von Anfang an dem Off-Ableger der Gründerzeit verbunden. Das Theater Zinnober wurde zur Legende. Auf fast jedem der Puppentheaterfestivals der DDR gab es Preise, wiewohl die Gruppe ihres nicht vorgesehenen freien Status wegen von den Offiziellen nicht geliebt wurde. "Einszweidreivierfünfsechssieben" - mit Günther, Iduna und Therese - erhielt 1982 einen Preis, "Die Bremer Stadtmusikanten" - mit Günther, Iduna und Uta - erhielt 1987 gleich zwei Preise auf dem Puppentheaterfestival in Magdeburg (und wurde über 30 Jahre gespielt). Günther hatte nie eine leitende Funktion im Theater, das war nichts für ihn, aber als er starb, wurde er als die Seele des Theaters vermisst. Er hinterlässt Frau & Kind, vor allem aber die Erinnerung an wunderbare Kinderstücke und beeindruckende Schauspielrollen. Und dutzende Freunde und Verehrer. An seiner Beisetzung nahmen über 80 Personen teil, obwohl das wegen der Lockdownregeln gar nicht erlaubt war. |
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Puppentheater Neubrandenburg 1977 (spätere Zinnoberianer haben ein Z hinterm Namen): Peter Waschinski, Werner Hennrich [Z], Christian Werdin [Z], Gisela Templin, Iduna Hegen [Z], Günther Lindner [Z], Gabriele Hänel [Z]. |
Der Klassiker des Schattentheaters der DDR: "Die Bremer Stadtmusikanten" (1985) wurde noch in den Zehnerjahren des neuen Jahrtausends zu Festivals geladen und im Theater o.N. gezeigt. Es kamen Mütter (und Väter) in die Vorstellung, die sagten: Ich habe das als kleines Kind gesehen. Ich möchte, dass mein Kind das auch sieht. Die Ausstattung stammte von Christian Werdin und den Spielern. Regie führte Gabriele Hänel. Es spielten: Uta Schulz, Günther Lindner, Iduna Hegen. |
Theater Zinnober 1983: Gabriele Hänel, Steffen Reck, Werner Hennrich, Iduna Hegen, Christian Werdin, Hans Krüger, Dieter Kraft, Uta Schulz und Günther Lindner. Nicht auf dem Bild, weil gerade ganz oder zeitweilig ausgetreten, sind die Gründungsmitglieder Therese Thomaschke und Hartmut Mechtel. |
Theater o.N./Zinnober 1997: Günther Lindner, Melanie Florschütz, Uta Schulz, Hartmut Mechtel, Ulrike Monecke, Iduna Hegen, Gabriele Hänel, Ania Michaelis. Nicht auf dem Bild, weil an der Produktion im Theater o.N. nicht und bei der Wiederraufnahme am Kammertheater Neubrandenburg nur beratend beteiligt, ist Werner Hennrich. |
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Reineke Fuchs (Günther Lindner) wird von Grimbart dem Dachs (Werner Hennrich) beraten. Reineke Fuchs (Günther Lindner) übertölpelt den dummstarken König Nobel (Hartmut Mechtel). Reineke-Fotos: Jochen Wermann |
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Die Stücke, die Günther
am längsten als Solist spielte, waren "Der kleine Klaus und
der große Klaus" nach Andersen und "Die drei kleinen
Schweinchen" nach dem englischen Märchen. Handfestes, derbes
Puppentheater in selbstgebauter Ausstattung und mit eigenen Puppen,
Regie führte Werner Hennrich.
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Rechts: Günther spielt den wölfischen Widersacher der "drei kleinen Schweinchen". |
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Uta-Griseldis Lindner (so heißt Uta Schulz heute), Mutter dreier Kinder, Großmutter einer Handvoll Enkel, gehörte schon früh zum Zinnober-Umfeld, bis sie seit 1983/84 (nach drei Jahren als Schauspielerin in Meiningen) in das Off-Theater wechselte (das sie Jahre später auch leitete). Es ergab sich bald, dass Günther mehr wurde als nur Gruppenmitglied und Bühnenpartner; sie lebten viele Jahre zusammen, bis sie schließlich heirateten. Links sind die Lindners (die um 2000 noch unterschiedliche Familiennamen hatten) in "Open the Door, Richard" (nach "Richard III.") zu sehen, im Bild rechts spielen sie aus einem Schrank heraus "Der gestiefelte Kater". Der Bildnachweis ist schwierig. Wo ich den Fotgrafen kenne, weil dessen Name im digitalen Foto steht oder auf das analoge Foto gestempelt ist, habe ich ihn angegeben. Da dies eine nichtkommerzielle Seite ist, gehe ich davon aus, dass mir die jeweiligen Fotografen (sofern sie noch leben) die Nutzung ihrer Bilder nicht verübeln oder mir, wenn sie das bemerken, schreiben, das Bild aus dem Stück XY stammt von mir. Ich korrigiere das dann sofort. Bis dahin gilt für alle Bilder, die nicht von mir oder einem benannten Fotografen stammen: Foto: Archiv. |
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Aus einer Mail an Uta, 16.3.2021: (...) im Krankenhaus habe ich oft und lange an Günther gedacht, an die Neubrandenburger Zeit (als Günther noch in Neustrelitz wohnte), an die frühen Zinnoberzeiten und die späteren Theater-o.-N-Zeiten, besonders auch an Reineke Fuchs, wo ich ja nicht nur Günthers Feind (den Wolf) und den Chef (den König als Löwen) spielte, sondern auch seinen Freund Martin den Affen, der im Stück selber kaum mehr als einen Satz sagte, aber in einer intensiven Probe zum Leben erwachte. Gabi hatte Werner (Grimbart) und mich (Martin) dazu gebracht, den passiven Reineke zum Handeln zu bringen, indem wir ihm als um ihn besorgte Freunde die Welt erklärten. Wir redeten stundenlang auf ihn ein, und ich glaube, dass es Günther später geholfen hat, seine Rolle so changierend zwischen sympathischer Bosheit, Gier und gewitzter Gleichgültigkeit zu verkörpern. Alle drei spielten wir bei dieser ausgedehnten Improvisation gegen unseren Charakter an, doch wir steigerten uns hinein und wurden Freunde - Freunde im gemeinsamen Bösen den Worten nach, aber auch Freunde im Guten, denn die echten Günther, Werner und Hartmut waren ja dabei. Es war diese verrückte ausgedehnte gemeinsame Improvisation, die zumindest für mich etabliert hat: Wir sind Freunde. Wir gehören zusammen. Wir können zusammen spielen, Quatsch machen, ernst sein. Günther und ich hatten viele schöne Begegnungen und haben viel miteinander gemacht und gelacht, aber jene Probe war der intensivste, verbindendste Kontakt ... Von der Probe der Freunde gibt es natürlich kein Foto, und so sehen wir nebenan den Kontakt der Feinde: Braun der Bär (Werner) und Isegrim der Wolf (Hartmut) bändigen brutal Günther den Fuchs. Foto: Jörg-Willi Förster |
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Günther und Werner in "Hase und Igel" | Und tschüss: Günther, gerahmt von Wera Herzberg und Werner Hennrich, in "Der Heiratsantrag" |
Weitere Fotos aus Theater-o.N.-Zeiten, auch mit Günther Lindner, sind auf meiner Seite zum Theater zu finden. Und - noch - auf der Seite des Theaters o.N. Günther ist in unserer Erinnerung zu finden. Und in unseren Herzen.
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